Wüstes

 

Mein lieber Onkel Otto. Eines sei vorweg genommen. Die nächsten 2 Tage in der Wüste machen klar, wer hier Chef ist. Sie, die Wüste! Wir werden bei aller unglaublichen Schönheit Grenzerfahrungen machen, nicht nur zu Algerien. Aber langsam.

Was ist es eigentlich mit Dobrindt, Seehofer und dem unsäglichen Söder? Kriege hier nichts mehr mit. Und warum ? Weil ich es nicht will! Tagesschau 100 Sekunden war nur in den ersten 2 Wochen Pflicht ! Aber bald, wenn der Papi wieder zuhause ist, dann liest er wieder seine FR und den Spiegel, um mit seinem beknackten Halbwissen bei sogenannten Diskussionen Tand und Blendwerk aufzutischen. Das hat Stil im Land der ehemaligen Dichter und Denker! Aber bis dahin will ich meine Ruhe haben. Will das Jetzt unvergeistigt zulassen lernen. Das geht. Gut sogar.
Also nochmal, Söder und die restliche Lederhosengang wollte ich eigentlich mal in die Wüste schicken, also so als Idee für politische Erneuerung. Aber nix da, das wäre ökologische Ignoranz. Die sollen auf dem Watzmann bleiben. Die sind nix für Mama Wüste. Es sei denn, sie hätten kein Wasser dabei.

Also, wir sind ja eigentlich noch in Zagora. Unsere Gäste im Dickdarm sind mit allen Wassern gewaschen, wüstentauglich. Wir vertrödeln so den Tag mit Vorbereitungen für den Erg Chegaga Trip. Laden noch ne App runter fürs Zurechtfinden im Nirwana. Dann denke ich, könnte ja mal nen Döschen nehmen, zum Druckbetäuben mit den göttlichen Headphones von Steffi. Klappt gut mit gesalzenem Rock. Ich kann die schwule, air-konditionierte Fusion-Scheisse nicht mehr ertragen. Nach der dritten ist Ebbe im Engel. Also lade ich die komplette Betreuer-Mannschaft des Platzes zu einem Sundowner-Pilschen aus dem ihrigen Kühlaggregat ein. Scheisse, keiner lehnt ab, alle scheinen entzückt ob des Einstandes im Wert eines Dreiwochen-Aufenthaltes dörtens ohne Pfand.
Auch der Ghanese, den sie alle den Afrikaner nennen, weil schwatt, ist durstig. Wir machen einen klar für ein Tajine Menue für den Abend. Und da die bemerkt haben, das Papi ne Klampfe dabei hat, wird eine postprandiale session anberaumt. Zwischenzweitlich kommt einer im amtlichen Toyoyta-Overall und meint, dass Landy mal die Gelenke geschmiert bekommen sollte. Für nen Fünfer. Abgemacht. Nächstem morgen um 9.00 Uhr. Dann noch ein Zahnlücken-Schwatter, packt aus seiner mitgeführten Platiktüte putzige Automodelle in 1:25. Alles Off-roader, aus Palmenholz geschnitzt, lackiert und mit Plastikabfall verziert. Ich bestelle stante pede ein Abbild unseres Landy, so hat Pili auch ne Karre.
Wir dinnieren also im Berberzelt, der Afrikaner bewirtet und dann gehts los. Wie immer, Trommeln kloppen, Schmerzen melodiebefreit raussingen und Spässken haben. Ich tue mein Bestes, was nicht viel ist, und schruppe die Saiten groovegehorchend. Dann aber mal was aus Allemagne, wird gefordert. ich spiele „Aus dem Beton“ von Stoppock, was sonst, und sie kloppen mit. Und zum krönenden, zumindest für mich, Abschluss das Lied der atmenden Lokomtive ( ich kann nicht anders ). Haben die ein Spass dabei, dadadada dada .tütütütütütütü. Herrlich. Inse schafeling Mähness……… Wir beschliessen dann den kulturellen Teil des Abends, man lädt zum ausklingenden kiffen, mir steht nicht nur der Sinn nach Anderem. Als wir im Dachzelt liegen, kommen ein paar Verrückte in Sahara-LKWs. Wir nehmen es nur noch am Rande wahr.
Jetzt aber wacker aufstehen. Landy muss ja gleich noch bein Arzt. Der Bimbo kommt und packt den Landy aus. Ich bin zu Tränen gerührt, fühle mich wie ein Dreijähriger am Heilig Abend. Magnifique. Detailgetreu bis zum Abwinken. Leider ohne Fernsteuerung.
Dem intestinalen Aufruhr gehorchend veklappen wir noch  die 400. Generation von bösen E.coli, verabschieden uns herzlich von den bierseligen Kiffern, und fahren in die Stadt. Es ist Montag und ne Menge los auf der 5.th Avenue in Zagora.
Die Toyota Werkstatt ist der Hit, ein Gewusel von Öl, Schmiere, verschmierten Kerlen, sauberen Freunden, Ziegen, Eseln. Ne Menge Landys warten bereits im gleichlautenden Zimmer. Mohammed Gordito, der listige Chef, nimmt sich seiner an, und Landy muss nur drei Minuten im Wartetimmer Platz nehmen. Ist ja schliesslich Arzt Sohn. Einer mit ner riesigen Fettpresse und nen zweiter, der den Nippel führt, befleissigen sich des schmierenden Tuns. Während wir dabeihocken, kommen wir ins Gespräch mit Hassan, dem Paulo Coellho der Sahara, unübertroffenes Gesicht, ein Goldgriff für casting Leute aus Hollywood. Funkelnde Augen, ein prächtiges Gebiss, was beim Dauerlächeln nur schwer zu verbergen ist. Der müsste sicher nicht in einen ZuVeneer Laden.(Hallo Klaus, du alter Dentist). Der Turban aus feinstem Tuch. Er bietet mir sein Moped gegen die EOS 7D (meine Kamera). Ich lehne dankend ab, zeige mich jedoch bereit, meine Begleiterin einzutauschen. Mit einem Satz steht er neben mir zum händedrückenden Vertragsabschluss, die funkelnden Augen nun wie eregierte Glaskörper. Wacha, wacha. Madame verschwindet plörrend im Landy und nach dem fünften, neben seinem Zweitakter gestellten Gepäckstück nimmt er von seinem Rücktritssrecht Gebrauch.
Falls wir heiraten wollten, würde er eine gesalzene Berberhochzeit in der Wüste organisieren, versprochen. Dafür müssten wir den Wagen mit geistigen Getränken aus Alemania vollpacken. Ehrensache.
Abgemacht! Die hier unten scheinen sich doch mal gern einen zu schmörgeln, dünkt mich zusehends.
Der Abschmierer bläst noch den Luftfilter aus, Mohammed will uns noch nen paar Blattfedern verordnen, wohlmeinend, da die vorhandenen wie das Urmeter in Paris aussähen. Na, ja ich Depp hab ja auch drei Zentner Diesel im hinteren Zusatztank. Werde ihn jetzt erstmal leerfahren, um ursprüngliche Biegung ins Eisen zu kriegen.
Wir nehmen noch den angeblich besten O-Saft Marokkos bei Oskar und den wirklich unerreichten Kaffee, bevor wir das berühmte Schild “ 52 Tage nach Timbuktu“ besuchen. Noch ein paar Fluppen, Wasser, Wasser, Wasser, Orangen und dann ab Richtung Algerien. Es ist warm, sehr warm, sehr sehr warm, es wird mit jedem Kilometer wärmer und die Flora zeigt sich geschlagen.
Die Luft flirrt, am Horizont sind Sandverwehungen zu sehen. Die nehmen aber den umgekehrten Weg. Eine Höllenhitze, wir müssen uns entscheiden zwischen Fenster zu und Umluft Backofen, oder Fenster runter und Fön in die Fresse. Wir wechseln je nach peelendem Sandzusatz. In M´hamid nehmen wir ne lauwarme Cola, der Cafe-Kühlschrank schaffts hier nicht. Ich muss dringend mein Dessous entsorgen.  Man meint, der Trip wäre nicht zu machen, der Sand zu heiss, nix zu sehen. Die wollen sich doch nur als guides anbiedern, denken wir und fahren los. Nach ein paar hundert Metern Aspahalt-Ende, jetzt Sand. Und Hitze. Ich habe ja bereits mehrere Aufenthalte in wärmeren Gegenden hinter mich gebracht, aber das hier ist final. Normalerweise beende ich einen heimischen Saunagang nach 15 Minuten. Das wird hier nicht funktionieren. Wir saufen, was das Zeug hält, lèau minerale in Vollbad-Temperatur. Wo bleibt das Alles, normalerweise müssten wir alle drei Minuten pissen. Vermutlich atmen wir alles ab, die Bronchien widersetzen sich so der glasierenden Versiegelung durch die heisse Luft. Der Sandsturm rückt näher. Landy!, Komm her ! Nein, wir fahren nicht zurück, du musst jetzt wieder die Badelatschen anziehen, komm jetzt, Alle laufen so herum, zier dich nicht. Landy….. , du Prachtkerl, sind doch nur 120 km.
Weichsandfahren. Der Sturm treibt ginsterähnliches Buschwerk vor sich her, wie im Western, gleich kommt Yul Brunner mit nem eiskalten Pils, hoffe ich still. Es ist der Wahnsinn, Wir saufen und saufen, die Harnblase schrumpft auf Walnusgrösse. Trotzdem es ist ein unglaubliches Erlebnis, Visualisationen wie unter Droge, nichts ist bekannt, surreal, daliesk. Schmelzende Uhren. Kamele auf Stelzen. Der Sturm lässt nach und das Nichts zeigt sich in voller Pracht. Wunderbar. Wir steigen aus, und da sind se wieder, die Fliegen, garstige Biester, schlecht gelaunte garstige Biester, wollen sich an unserem feuchten Odem laben. Die einzigen Wasser-Moleküle weit und breit. Ich kann nicht anders, nehme mir ein eissssskaltes Döschen, was nach 30 Sekunden zu einem Wölkchen verpufft unter Umgehung des Siedepunktes. Ich mache ein paar Fotos, Steffi kriegt ein waschechtes Tourette-Syndrom.
Sie schreit fuchtelnd , zetert ob der Scheiss Viecher. FSK 18 ! “ Ihr verdammten …., ich reisse Euch den …. auf, ich will nach ….., ihr ver…. !“. Bin nach den 2 Schlucken Pils besoffen. Wir fahren weiter und es wird immer heisser und schöner, irrsinige Landschaft. Das Nachmittagslicht ist sehr geeignet, diese Schönheit zu veredeln.
Wir halten nochmals an, sind im Dünenmeer. Ich betrachte meine Arme, befühle sie, und fühle, was ich betrachtete. Die Gesamtausgabe von Harry Potter in Braille Schrift (Blindenschrift). Interessant schon, aber woher das Pustuleske ?
Haben die E.colis ihren Laich dort abgelegt ? Ist es eine banale Sonnenallergie, die Ankündigung des baldigen Ablebens, ungefragt angelegte Flüssigkeitsreservoire ? Was will der Herr mir bedeuten ? Der Ort des heiligen Grals in die Epidermis gemorst ? Oder doch die Toxine der  Franzmann-Notdurft im Pool in Merzouga ? Das wäre was für die Wochenschrift „Der Dermatologe“ Seite drei „Blickdiagnose-Quiz“. Soll ich mir jetzt schon Kortison spritzen ohne erst nach der heissen Nacht mit den Kamelen (s.u.)?
Totenstille, da kommt einer angeheizt, springt in prächtiger Touareg-Montur aus der Karre, schmettert einen fetten A-Powerchord auf der Luftgitarre und grinst. Ach du scheisse, Er, einer von den Brüdern gestern abend, heute als Guide unterwegs. Hat ne Käskopp Familie im voiture. Wir umarmen uns, er lädt uns ein, ihm zu folgen in so ein Wüstencamp, bivouac. Na ja, können ja mal schauen. Nach ein paar Kilomtetern ist da also Berber-Club-Med. Ein paar Kamele lümmeln im Sand. Herzliches Willkommen im Lager. Nach kurzer Überlegung beschliessen wir unsere Teilnahme und checken ein, obwohl wir ja ein einsames, schattiges, kühles Plätzchen an einer kristallklaren Quelle suchen wollten. Wir kriegen Zelt Nummer sieben. Sind zu zwölft im Lager. Da kommt er, der George Clooney der Wüste, auch Guide, und klebt mit seinem Seh-Apparat an Frau Ebeling, deren Shirt vom leichten Wind geführt, modellierend, ansehnliche Weiblichkeit offeriert. Ok, ich schlafe heute bei den Kamelen.(s.o)
Wir nehmen Tee neben dem Feuerplatz(!!!!!!) unter nem Stoffzelt, plaudern mit den dutchman. Dann gibts was auf die Platte. Gemeinsam speisen wir im Zelt bei 53 Grad, schwitzen immer noch nicht. Muss dringend noch nen Döschen nehmen, bevor sich die Harnblase wegen Untätigkeit selbst verdaut. Dann duschen, die haben echt nen Sanitärbereich, Wasser wird hier mit schwerem Gerät angekarrt, Strom aus Solarpanel. Unsere Turbane kommen zum Einsatz, um der Fliegenschar eine Baumwoll-Barriere zu geben. Steffi bekommt selbstlose Hilfe von Berber-Clooney. Notgeile Sau. Aber mal unter uns, wir sind eh, also eher Steffi das Touri-Küken in Marokko. Die ganzen Bekloppten 4×4 er und die WOMO Gangs sind alle im Vorruhestands-Alter,oder 60+, das heisst, auch die Sozias eher postmenopausal. Eher nicht das Beuteschema eines Wüsten-Clooneys. Also, soll sein, du Armer, aber verharre im Masturbat edler Touareg, in deiner Triebhaft.
Wir legen uns unter das Zeltdach, auf Kissen und lauschen dem Berber-Trommel-Gekloppe. Leider haben wir Vollmond, der legendäre Sternehimmel über der Wüste bleibt uns verborgen verstrahlt. Aber die Fliegen sind weg. Nein, ich hole meine Klampfe nicht, bleibe verzückt liegen und begebe mich in ein Wachkoma. Herrlich. Steffi schmiegt sich an und wir entschlummern. In des Nachtes Mitte verlegen wir uns ins Schlafzelt.

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