Schick

Marrakech, 19.04 Uhr, Adrenalin und Kortison schlummern noch, trotzdem, wir machen uns fein für Jad Mahal. Ich bin relativ schnell fertig, weisses Stehkragenhemd ( 49,95 €, 2014), Leinenhose (Ansons, 69,95€, 2013), rotbraune Slippper ( Fluchos 39,90€, 2014), VISA Karte, (05/2018) rasiert und warte und warte und warte im herrlich kühlen Patio. Steffi zieht das volle Programm durch und an. Eher wenig. Schwarzer Jumpsuit, aber welches Schuhwerk ? 1,4 km Fußweg sind ohne orthopädische Hilfe in die Neustadt zu bewerkstelligen. Ich warte weiter und schreibe. Und warte, vermutlich telefoniert sie mit ihrer Mutter, coaching. Ich höre ein oh,la,la aus der ersten Etage, die Französinnen scheinen beeindruckt. Oh ja, ich auch. Kortison, Adrenalin lünkern und Testosteron ist fit für den iron-man.
Oh Gott, so verlassen wir also unser Riad, laufen über den jemma el fna, spielen  Anwältin und Arzt. (Weiss ja keiner, dass wir bald Hartz 4 beziehen).
Steffi wegen Absatzerhöhung auf Augenhöhe, ich wegen vermuteter Absatzerhöhung im avisierten Lokal verunsichert, Maut-Gebühren auf dem Heimweg entrichten zu können. (Hätte ich mal was richtiges gelernt, Nasen korrigieren zum Beispiel).
Wir werden quasi erwartet, John Malkovich und Angelina Jolie, der Breitschultrige macht den Diener und reicht uns weiter an Madame Tischgeleitung. Kurzes, kanppes, sehr kanppes Mini Kleid, knallrote Hacken. Ich schaue weltmännisch zu ihr hinauf, sehe aber nur das Kinn von unten, meine Näschen auf Dekolteehöhe. Da sitzen wir also unter den Schönen und Reichen bei sehr gedämpftem Licht und angehmer Luft-Konditionierung. Es gibt ordentlich was aufs Brett, dazu Rosé. Dann, das Messer gleitet durchs Rind, 110 Dezibel, Mucke und live-performance, Feuertanz. Hä ?  Que pasa ? Nun gut, weiter am Rind und Lamm. Und wieder, sechs bauchfreie, vollschlanke Damen tänzeln in den Raum behütet mit brennenden Adventskranz/Teekannen-Gestecken zu Elektropop. Hä? Erinnert doch sehr an die Geschichte von Timmerberg, wo der Sultan Abdülhamid II Kerzen auf hunderte Schildktöten getackert hatte. Eine fordert Frau Ebeling zum Tanze. Wahrscheinlich nimmt mich die Hochhackige gleich Hucke-pack. Steffi kommt auf Arbeitstemperatur, wird ohne Unterlass beglotzt von einem Mel Gibson Plagiat. Der hält mich wahscheinlich für Papi. Arschloch. Steffi hat einen Mordspass. Ich begutachte mal eben professionell das weitere Ambiente, und als ich wieder zu Tische komme, hat Steffi bereits die silver-VIP-card für nachher vor sich liegen, heisst ab 2.00 Uhr geht da was ab. Wir wechseln nach dem Dessert in den Barbereich, da sieht es sehr nach Live-Mucke aus. Steffi geniesst doch sehr die ihr angediente Aufmerksamkeit. Und flirtet, was das Zeug hält. Schon verrückt, ich tue cool, bin es aber merkwürdigerweise auch. Lady soll ihren Spass haben, und den haben wir dann auch gemeinsam. Alter Sack mit Party-queen. Ich geniesse still aber nicht heimlich die Ansammlung vollendeter weiblicher Schönheit, eher junges Gemüse. Bin beglückt ob der Gelassenheit in der Wahrnehmung weiblicher Oberweiten und Hinterteile. Es ist nicht mehr imperativ auf sofortige Fortpflanzung getrimmt. Endlich. Die Gnade des Alters, oder was ? Was war das immer bitter in Thailand, oder was weiss ich wo, die erbärmliche, notgeile Pawlow-Scheisse. Vorbei, was ein Segen. Die Schrumpfmuffen Ladies mit genügend Tata aus Lissabon, tragen Kleid und alberne Handtaschen einer gängigen Edelmarke. Dann fangen die Jungs an zu spielen, Mainstream-Pop der Achtziger. Gut gemacht. Der Saitenquäler sieht aus wie der langhaarige Gene Hackmann mit Influenza. Da kocht die Hütte. Steffi versucht mit unwiderstehlichem Augenaufschlag dem Barkeeper nen paar gratis Gin-Tonic aus dem Regal zu leihern, dann hätten wir noch Kohle für ne Tankfüllung im portefeullie. Und dann Finale… Highway to hell, ich kack ab, Amtlich dargeboten.
Wir verzichten auf die VIP Party, wollen ja gleich weiter in den Atlas. Sehr gelungener, dekadenter Abend. Das Testosteron hat sich mit dem Gin verbrüdert und zurückgezogen. Jetzt wieder Basic-life. Ein paar Stunden Heia machen.
Ich hole Landy von seinem Parkplatz, wir packen ein und fahren erstmal zum Carrefour, ein paar Sachen einkaufen, Alc-Abteilung, müssen ja noch 2 Wochen schaffen.
Es ist wieder eine Affenhitze, wir sind nicht besonders ausgeschlafen. Vernunftsbefreite Abendgestaltung zollt ihren Tribut. Und dann finden wir am frühen Nachmittag unseren Traumplatz am Fluß. Stühle ins feuchte Nass und ein Konterbier. Das kommt gut. Reinlegen auch. So plempern wir auf drei Pötten, grillen ein paar Hühnerbeine und albern den Restabend herrlich rum. Nach Einbruch der Dunkelheit gehts hier aber mächtig ab. Eine Sound-Kulisse vom Feinsten, von kopulationswilligen Fröschen,  wird aufgeboten. Nach nem Fläschen Rosé gehen wir pennen. Es kühlt sich herrlich ab. Endlich.
Ich wache gerädert auf, irgendwas ist im Argen, ein schöner kühler Morgen, aber da stimmt was micht im Regelkreis. Egal, da muss ein Mann durch. Es gibt regen Flußverkehr, 7,5 Tonner brettern durchs Flußbett und laden Matsche.
Wir dümpeln so vor uns hin, ich muss mich zmeimal ablegen. Hat mir etwa Mel Gibson KO-Tropfen ins Getränk geschüttet ? Oder hat mich Gene Hackmann angesteckt ? Biesemann, reiss dich zusammen. Irgendwann Mittags brechen wir auf, weiter den Atlas hoch. Die haben hier in den letzten zwölf Jahren aber mächtig Teer verarbeitet, das war damals spannender und schöner. Wir haben nämlich Scheiss Licht. Und wenn ich irgendwas nicht leiden kann, dann scheiss Licht. Alles ist hell und diesig, kaum Konturen in den Bergketten. Die schneebedeckten Gipfel sind mit Großmut zu erahnen. Ich werde kein Photo machen, du doofes Wetter. Bei amtlichem Studiolicht ist das hier ein Traum. Bei mir wirds auch diesig im Gebälk dank der Pyrogene diesich fit machen. Wir erreichen den Tizi´n´Test, die Passhöhe auf 2100 Meter. In der Kehre gibts ein Cafe, und wie sich rausstellt, hat der gute Mustafa auch Zimmer und einen Stellplatz für uns. Wir nehmen ein Berber-Omelett mit Weihnachtskaffee (Die spinnen) und da kack ich ab.
Schüttelfrost vom Feinsten. Eigentlich ganz angenehm nach der ganzen Hitze, aber man weiss ja, was das Geschnattere beabsichtigt, nämlich eine satte Temperaturerhöhung im Innersten. Gesegneter Mustafa, wir kratzen die letzten Dirham zusammen, und checken ein. Ich liege sofortement  bibbernd und  wollbedeckt in einem herrlichen Steinhaus-Zimmer. Der Wind pfeift, Steffi kümmert sich rührend und ich nehme zur Steigerung des Wohlbefindens ein paar Schlucke Roten. Zwischenzeitlich hat sich Mustafa volles Rohr in Steffi verknallt, ihm ist es ganz Recht, dass ich ausgeknockt hier darbe, denke ich. Eine Zoplicon soll die mittlerweile 42,3 Grad Körpertemperatur geschmeidig im komatösen Schlaf erträglich machen. Nach fünfzehnstündiger Bebrütung wache ich auf und habe einen Mords-Bock auf nen richtigen Kaffee. Einen ohne Zimt und Cumin und Safran und Zwiebel. Ich lebe. Auch nicht schlecht. Steffi hätte auch ne Schlaftablette nehmen sollen, mein Delir hat ihr mächtig zugesetzt, sie hätte sich ja auch zu Mustafa legen können.

Erklärungsversuch :
Da kommt so ein hitzeungeschulter Depp in nachmittäglicher Hitze an einen Fluß, setzt sich mit dem Decathlon-Sitzmöbel ins kühle Nass, legt sein äusserst cooles Kopftuch zur Seite und gönnt sich zur Feier des Tages ein paar Döschen. Und sitzt da und sitzt, und geniesst die kühle von unten und ignoriert den Ballermann von oben. Da kommt das Stammhirn in Erklärungs- und Regelnot, von oben schmörgelnde Hitze durchs haarlose Schädeldach, von unten kühler Blutrückfluss, das macht kein Thermostat mit. Schön bescheuert.

Wir frühstücken und fahren runter ins Tal, gleiches beschissenes Licht, ein paar Hitzewallungen geben sich die Ehre. Wir machen dann ordentlich Meters, über Taroudannt, Agadir (oh Gott), und wollen irgendwo an der Küste einen nettes Nachtlager errichten. Das Agnus dei schlummert im Engel, Grillkohle ist besorgt. Nicht ganz einfach, unser Ansinnen, einen Traumplatz zu finden. Aber es muss sein. Ich habe mir vor zwölf Jahren gewünscht, als ich mit nem Mietwagen hier durchgeschippert bin, nen richtiges Auto zu haben, mit dem ich ans Wasser komme. Das muss jetzt eingelöst werden. Und wir finden ihn, eine Mörderpiste, die wir von oben erahnen, schlängelt sich den Berg herunter. Und dann stehen wir am Strand. Der Lorenz macht sich fein für seinen temporären Untergang. Ein paar Meter höher residiert Ibrahim, der bewacht hier ne Hütte für nen Typen aus Casablanca. Er bietet uns Asyl neben dem Gemäuer, aber wir wollen unten am Strand allein sein. Es ist immer wieder verrückt, du fährst durch vermeintlich menschenleere Gegend, wähnst dich am Arsch der Welt, und überall hockt jemand mit seinen Ziegen und Eseln. Überall. Du fähst Lichtjahre unmögliche Pisten und dann laüft da einer lang. Und noch Einer. Woher ? Wohin ? Wahrscheinlich hocken noch etliche in den Arganen, man sieht sie nur bei Freibier.
Wir sind also bestens untergebracht, und dann gibts Psychoterror, wir sind beide dermassen scheisse drauf, ich suhle mich hinrichtend im rekonvaleszierenden Sumpf, setze mich neben den Landy und besaufe mich, rühre keinen Finger, und wir verpassen den Sonnenuntergang. Nix Agnus dei, ne Tütensuppe mit altem Brot ist das Attribut für diese Scheisse. Erstaunlich, wie einfach man sich das Leben zur Hölle machen kann.
Nun hocke ich hier am Strand, trinke Kaffe, Frau Ebeling schläft noch, und ich geniesse die Gesellschaft eines autistischen Esels. Bald darauf taucht Herrchen auf, der sammelt Watt-Würmer und scheint nicht im geringsten verwundert, dass sich hier über Nacht ne Landy-Trutzburg mit Camping-Accesoires materialsiert hat. Und dann. Zweiter Kaffee. Stunde später. Zieht hier ne dreissig-köpfige Schulklasse am Landy vorbei, man begrüsst mich in freundlichem Oxford-Französisch. Ich kann nicht mehr. Hier !!!!! Sind die eingeflogen worden ? Haben wir den Heli Landeplatz nicht gesehen ? Frau Ebeling erwacht und wir versöhnen uns !

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