Das war eine gute Idee, Meknes zu besuchen. Wir bekommen einen völligen anderen Eindruck von marokkanischer Großstädtigkeit. Das hat nichts zu tun mit Marrakech, dieses dreckigen Molochs, wo in der Neustadt nur Neureichen-Luxus gelebt wird. Und der jemma el fna verkommt auch zusehends zum Disney-Land auf exotisch. Meknes hat seine Medina, seine Souks, wie überall im Lande, aber die Stadt wirkt erstaunlich europäisch, wohlhabend. Trotzdem gehört der Esel zum Stadtbild. Die Mädels sehen umwerfend aus in schleierfreier Ausstattung. Hier könnte man durchaus eine Zeit leben. Grosstädtische Normalität und dezente Exotik.
Das Ende naht, keine Angst, weder Pfefferspray noch Armee-Machete kommen zum Einsatz, wie bisher noch nicht. Auch nicht mein Opinel aus der linken Oberschenkel Tasche. Keine bösen Buben, keine Scheiss-Kläffer mussten ihm weichen, nur Käse und Orangen wurden bearbeitet. Nein, das Ende der Reise ist gemeint. Wir sind also von diesem hübschen campismo bei Meknes weg und wollen nach Chefchauen, unserem Start vor fünf Wochen in Marokko. Von dort sind es nur noch hundert Kilometer bis Tanger, von wo die Fahren fähren. Zwei Typen aus down-under stehen auf unserem Platz, der eine schon seit zehn Monaten unterwegs, haben sich in Spanien einen VW-Bus gekauft. Väterliche Betreuungsgedanken bezüglich des Töchterchens Aufbruch nach Australien lassen ein wenig sinnhaft plaudern. Und natürlich kümmern sich die Beiden und deren Sippen rührend um Madame, wenn sie es denn will. Wir grillen ein paar Spiesse, und verbringen die Nacht chopinhaft mit der Regentropfen-Prelüde. Aber Hallo, erster Regen seit fünf Wochen und wieder kalt. Das kommt gebückt am morgen. Entgegen meinen hier liebgewonnenen Gepflogenheiten, den Tag mit dem Sonnenaufgang zu beginnen, bleiben wir liegen, in der Hoffnung auf natürliche Zelttrocknung. Nix da. Also packen wir die ganze klamme Scheisse, wie früher, zusammen und brechen auf nach Tanger. Wir haben dort noch gestern abend ein schnuckeliges Zimmer im Dar Sultan gebucht, im Kasbah-Viertel in der Medina. Sultan bezieht sich übrigens auf die fürstliche zu entlohnende Asyltaxe, aber zum Schluss unserer Reise gönnen wir uns das mal.
Tanger hat oder hatte wohl mal was sehr verruchtes. Die ganzen Beatniks, Künstler, Schrifsteller haben angeblich hier ihre Inspirationen und Lasterhaftigkeit gefunden, damals, als die Welt noch aus Holz war. Habe sogar noch ein Buch im Regal von William S. Burroughs. Muss ich jetzt doch mal lesen. Wir sind mal sehr gespannt auf die beiden letzten Tage. Am Sonntag nehmen wir die Fähre und werden voraussichtlich noch eine Nacht in Tarifa bleiben um dann Kilometers zu machen. Oh Gott, könnte jetzt schon kotzen. Haben jetzt 8197 km auffem Tacho und die Kupplung meldet sich ab. (Siehe Beitrag Porto). Glück gehabt, das wäre bei den Gebirgspisten und in der Wüste sehr unangenehm gewesen. War es vorhin aber auch bei diesem lustigen Medina-fahren mit 5,5 Meter japanischem Großkampfgerät in den Gassen. Eigentlich hätten die hier Aufzüge bauen müssen, aber Steigungen von 90 Grad erregen wohl niemandes Gemüt. Dazu ein kleiner Tip : Um nicht zu verhungern an einer Kreuzung oder Kreisverkehr presst man den linken Daumen auf die Hupe, schreit alle an, auch dass man Arzt im Dienst ist, Durst hat, Kacken muss, schliesst die Augen und ballert hineien ins bremsende, quietschende Gewusel. Funktioniert ohne Lackschäden. Und dann ist sense, stehen am Ende der Medina, wahrlich kein Hort für Automobile, eventuell für nen Smart, unsere Herberge gefühlte hundertdreiundzwanzig Meter entfernt. Da kommen se, hilfreiche Menschen, bemüht, uns einen Parklplatz anzudrehen. Ah, bonjour meine Herren, jetzt ist Danger in Tanger, leckt mich am Arsch, Steffi sucht des Sultans Gemächer, ich bleibe hier stehen, hier, unbeirrbar, brauche Eure Hilfe nicht. Ich habe Durst und muss kacken. Und zwar in Bälde. Und bin infolgedessen nicht an smalltalk und Nettigkeiten interessiert, es sei denn, ihr habt ein Dixi-Klo und nen Döschen Geschmeidigmacher im Angebot. Und wie das Bälde so verstreicht, ruft der Muezzin, dass der kleine Tobi aus dem Smalland abgeholt werden möchte. Jetzt! Gehört. Mohammed kommt mit Frau Ebeling um den kleinen Tobi zu holen. Der Laden macht sprachlos, wie in Marrakech, in einer schäbbigen kleinen Gasse, liegt der Eingang zum sultanesken Palast. Sechs Zimmer auf drei Etagen in verspielter Ausstattung, Innenhof, Dachterasse mit Blick auf das Mittelmeer. Kaminzimmer, Wein a la carte. Sehr gelungen.
Wir schlendern ein wenig durch die Medina, nachdem wir den frühen abend auf der Dachterasse verbracht haben. Wie immer ist abends mächtig was los in der Stadt. Wir nehmen ein gediegenes Häppchen und sind herrlich entspannt. Haben genug gesehen von Altstadt-Gassen, als dass wir noch aufgeregt aufsaugen müssen. Nahezu alkohollos beschliessen wir den Tag.
Ein sehr üppiges Frühstück wird auf der Dachterasse kredenzt. Ein wenig wollen wir doch noch sehen. Umme Ecke parkt ein Typ seinen herrlich alten R4 ein. Ich recke die Daumen und wir kommen ins Gespräch in muttersprachlich, Jürgen, gebürtig aus Dortmund. Er zeigt uns sein Guesthouse, wir wollen umziehen. Meine Fresse, da hat er was auf die Beine gestellt vor 14 Jahren. Mit einer sehr quirligen und ansehnlichen Marokkanerin betreibt er dieses stilvolle maison d´hote. Jedes Jahr zu Weihnachten weilt er in Steele, Dinnendahlstrasse. Abgemacht, wir werden Spekulatius und Nussecken reichen. Eine köstliche Begegnung.
Einen Kaffee nehmen wir im legendaären Hotel Continental, leider gibts keinen Rosé.
Ein bisschen schlendern und dann ein Stündchen ruhen. Vielleicht gehen wir noch auf ein Konzert in der Neustadt. Mal sehen. ich erhebe das Glas auf das Ende des blogs. Danke für die Aufmerksamkeit. Und die unbeschreibliche Kommentarflut.
Ja, das war ne Reise. Wir haben viel erlebt, Unglaubliches, schönes, widriges. Ein bisschen Abenteuer auf den Pisten und in der Wüste. Immerhin waren wir greenhorns bzgl. des off-roadens. Aber, ich hatte es schon erwähnt, sind Landy und ich dicke Freunde geworden, wir hören aufeinander und respektieren uns. Aber, was wirklich beeindruckend war, ist die Gelassenheit, die Steffi und ich den Situationen und uns gegenüber gezeigt haben. Mit wem hätte ich eine solche Reise machen können ? Es ist ja schon strapaziös, dauernd unterwegs, dauernd checken, einpacken, auspacken, nie zu wissen, wo wir abends landen. Ob wir noch Promille laden können. Ob wir verdursten, Hitzetod erliegen, die Scheisserei in ein finales Ende mündet.
Das Land hat uns bezaubert, unglaubliche Bergwelten, Wüsten, Küstenregionen. Oft fuhren wir stundenlang völlig allein auf den Strassen, niemand vor oder hinter uns. Genial. Und auf den Mörderpisten nie jemanden getroffen, bis auf die üblichen Hirten, Navis, und Weghocker. Wie in Klitmöller, wenn die Surfer in Tarifa sind.
Und die Menschen haben uns tief beeindruckt, bis auf ein paar Ausnahmen, wurden wir überall freundlich willkommen geheissen, fast jeder hat uns zugewunken, ich weiss nicht wieviel bonjours wir gehört haben, wieviele Hände wir geschüttelt haben, wie oft die rechte Hand ans Herz gelegt wurde. Mehr als „Guten Tag“ zuhause in den letzten zehn Jahren jedenfalls. Jedes Nachtlager war auch eine Begegnung. Man war stolz uns zu bewirten ob in kleinen, abgerissenen Teebuden, auf den Plätzen oder in den bezaubernden Unterkünften. Ist in Rüttenscheid anders. Da scheint ein Kneipenbesuch eher ein Angriff auf die persönliche Integrität des Dienstleisters zu sein. Ich habe einiges an Dosenbier, Zigaretten und Dirham verteilt, was konnte ich sonst tun, neben der angemessenen Freundlichkeit, dem Respekt und der Neugier den Menschen gegenüber. Ich habe mich meiner eigenen Arschigkeit konfrontiert gesehen und vielleicht ein wenig gelernt. Ich könnte weinen, wenn ich mich an viele arme, darbende Menschen unterwegs erinnere, wie sie uns neidlos und liebevoll begrüssten, gefangen in der Schicksalhaftigkeit ihrer beschwerlichen Armut. Was kann ich für Euch tun ? Vermutlich nix, ausser andere Menschen zu ermuntern, das Land zu besuchen auf das seine Bewohner so stolz sind.
Die paar Arschgeigen, die dazu gehören, trafen wir nur in den Städten, aber so ist es immer, da wo die himmelschreiende Ungerechtigkeit zu explodieren droht, in jeder grossen Stadt dieser Welt, wo Moral und Ethik unnötig erscheinen, um sich durchzuwurschteln, ja eher stören.
Ich bin dankbar für das was ich erleben durfte, den Luxus, zu reisen, mal wieder, die Sicherheit gedeckter Kreditkarten, den Wohlstand zu erfahren im Kontrast. Es scheint selbstverständlich, aber es ist nur die Gnade am rechten Ort geboren zu sein und sich in die Wohlständigkeit soziologieren zu dürfen. Wir haben versucht, sparsam zu sein (abgesehen von den Alkohol-Läden), haben viel auf Märkten eingekauft, viel selbst gekocht. Zu wenig wild gecampt, aber wir fanden so viele hübsche Plätze, wo man für sieben Euro willkommen geheissen wird. Wo der Patron morgens Tee reicht. Und ab und zu mal was stilechtes an Gemäuer musste auch mal sein. Also doch nicht sparsam. Scheissegal.
DANKE Marokko, DANKE Steffi, DANKE Landy
und DANKE Michael für deine großartige Unterstützung beim Ausbau des Landy und
DANKE Papi, dass du mich zum Abitur gezwungen hast.
Inchallah