Youssef

Wir plempern mal wieder so rum, müssen Öchsle in die Bordbatterie pumpen, Scheiss Palmen, werfen zuviel Schatten. Aber nach Berber Omelett starten wir die Wanderung in die Thodra-Schlucht. Der Alpenvereinn müsste mal dringend das übliche A2 an die Bäume kritzeln. Wir irren durch Obst- und Gemüsegärten entlang des Flusses. Da ne Brücke, da nen Weg, da Weg weg. Immer wieder freundliche Begegnungen mit den Inhabitants. Sie hocken überall, auch in Feigenbäumen und lachen sich schlapp, wenn so eine Feigenlawine auf uns runterprasselt. Kurz vor dem Ziel treffen wir auf Abdulla, den Fast-Zahnlosen mit Reebock Schluffen.Er könnte gut den Locher für Leitz-Ordner machen und ist der selbsternannte Guide für die lezten Meter. Alles was wir unterwegs finden wird aufgebröselt und gustiert, heisst gefressen, auch Disteln haben, siehe da, einen weichen, essbaren Kern. Wäre was für Studiosus-Reise-Studienrat-Gruppen. Aus drei Palmblättern bastelt er Sreffi ein Kamel. Süss, ich möchte Trauzeuge sein demnächst, vermutlich wird er ihr noch ne arschfreie Burka häkeln. Wir kommen in die Schlucht, ein Wahnsinn, 300m hohe, senkrechte Felsen geben dem Oued eine Chance. Zum Glück sind die Touris längst in den Aubergen. Wir lernen Ismail kennen, ein waches Bürschchen mit dem wir Tee trinken und schwadonieren über Nikon und Canon. Steffi meint, ich bräuchte 5m Tuareg-Turban-Stoff, er meint es auch. Wir palavern ausgelassen, werden uns einig, auch Steffi bekommt für die Wüste ein angemessens Tuch. Wir treffen unseren Taxi-Sprit-Verschwiegenheits-Driver-Bimbo und sparen uns den Fußweg zurück. Chicken Tajine gibt es bei Youssef. Lecker. Gut so, Bruder Ibrahim taucht auf mit Tochter ( hübsch ) und Sohn ( scheu ). Steffi scheint bei den Weibern hier gut anzukommen, abgesehen von Abdullah.
Es wird Zeit. Zeit für Abschied. Wir sind jetzt 4 Tage bei Yosussef (unter uns : er heisst Hassan). Fast Familie, sind die einzigen Gäste, schon werden Einladungen wiederholt, Ehe-Schliessungen erwägt, ausgesprochen nett. Kuss-Kuss wird avisiert. Tante ( 125 Jahre alt ) brennt darauf, uns Kennen zu lernen. Aber wir müssen los, die Wüste ruft, Erg Chebi. Und dann an der algerischen Grenze nach Westen. Müssen weg, zu schön hier. Zu einfach. Inchallah.
Wir nehmen Hassan mit nach Tinerhir, gehen frühstücken, Merci Buko. Also, der Marokanner gibt uns Euro-Sklaven Mammelade und Brot, wenn jener in Ooberschen wohnt. Er gibt uns dänischen Schmelzkäse und Brot, wenn wir Frühstück unterwegs haben wollen. Und Omlett. Und nett. Immer wieder. Ich glaubs nicht. Die Leute sind der letzte Ableger von göttlicher Gelassenheit, Freundlichkeit und Respekt. Hatte ich schon so formuliert, oder so ähnlich. Besuchen mit Hassan noch den Viehmarkt, nicht Primark, aber das grosse Geschäft ist gelaufen. Die letzten Böcke werden verhökert oder zum bezahlten Ladeflächen-poppen verliehen. Guter Job. Hassan lässt sein Haupthaar stutzen, wir nehmen Tee auf dem Markt, wo jedermann zum Vegetarier wird, angesichts der vollendeten Nutzung des gesamten Tieres und der sonnengebleichten Attraktivität für Sch(m)eiss-Fliegen. Aber genau dort habe ich mein köstliches Lamm geschreddert bekommen und lebe noch. Dann endlich, noch kurz 130 Liter Diesel getankt – der Typ an der Zapfsäule wollte den Eichmeister rufen – und bei Ali doch noch 2 Cabernet geholt, gehts auf die Piste. Route ATA . Endlich wieder Schotter und Landschaft, und was für eine. 128 (noch) Lier Diesel, 6 Pullen Roter, 30 Dosen Muchel-Bier, 20 Liter Wasser, 12 Liter Danone  (Echt !!!!) – Mineralwasser, Eier, Lamm-Hack, Fladenbrot. Und gute Laune und Lorenz. Heidewitzka Herr Kapitän. Grossartige gottgebene Architektur in Verharrung und Zeitlosigkeit. Muss damals nen guten Tag gehabt haben, der feine Herr Gott, als er die Gegend entworfen hat. Immer wieder Lächeln, bonjour, ca va, unterwegs. Es ist bereits 18.03 Uhr und wir beschliessen die Tour und auch hier zu bleiben, genau hier, wo ich jetzt gerade nach köstlichem Dinner unter Sternenhimmel bei warmen Wind die Scheisse in die Tasten hacke. Der beste Platz 2.0. Ein paar Gäule kommen, der Maitre des chaveaux auch, wir herzen uns mit Bruderküssen und der Wahrnehmung allerlei rustikaler Aromen aus des Berbers Nähe. Alle ziehen ihrer Wege, lassen uns mit Lamm-Frikos und Gemüse-Pfanne allein. Ich hätte ihm gern nen Döschen angeboten, aber das gehört sich nicht. Schade. Durst vereint. Ich muss mir dringend einen schmörgeln, ich halte das Alles nicht mehr aus. Zwinge mich, an die Hackfressen heimatlicher Provenienz zu denken, an Praxis und Steuerberater. Und Angela Merkel und Dobrindt und Seehofer. Funzt nicht. So ergebe ich mich epikuräerhaft dem Jetzt und seiner Formvollendung. Meine Fresse, was ein Luxus. Zur rechten Zeit am rechten Ort geboren, den Mainstream absolviert, vom Vater zum Abi gedrängt, nix wesentliches geleistet- ausser zwei entzückender Ableger – darf ich einfach so hier sein, sitze ich immer noch unter dem Sternehimmel am Arsch der Welt  und kann mein Glück nicht begreifen, geschweige denn zulassen. Bräuchte vielleicht nen Coach aus Rüttenscheid. Oder endlich Yoga. Oder vielleicht mal nicht saufen. Werde mal besoffen drüber nachdenken.
Und noch eines : Ihr Kinder draussen an den Bildschirmen! jetzt hört dem Papi mal gut zu.
Lernt Sprachen !!!!!!! Nicht Sprechen, das könnt ihr eh nicht mehr. Aber die Reste eurer Mitteilungsbrut, verkümmert durch Steve Jobs und Genosse Google, eure egozentrischen, verpöppelten, verhätschelten Reste von Neugier und Pflicht, bietet sie auf, entzaubert das babylonische Sprachgewirr und geht in die Welt, meinetwegen auch nur mit Infinitiv, aber tauscht Euch aus, genau das braucht der Globus. Befruchtet Euch. Und hört auf zun saufen und zu kiffen, ich weiss, wovon ich spreche. Seid clean und offen. Dann haben die Arschgeigen von IS und Konsorten keine Chance. Ende der Durchsage und ab ins Bett. Schlaft gut. Ich auch!

4 Gedanken zu „Youssef“

  1. Ich trink auf dein Wohl meine liebe Steffi. Hättest dir nicht vorgestellt deinen Ehrentag auf den nördlichen afrikanischen Kraton zu verbringen. Lasst es euch gut gehen. Dein Facebook Account ist gepflastert mit Glückwünschen. Herzliche Grüße

  2. Beschwert ihr euch ruhig über den Mangel an Rückmeldungen und Kommentaren! Neben eurem (möglicherweise Tobis?) genialen Schreibstil angemessen zu bestehen, bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Wirklich große Literatur! Macht Spaß zu lesen und die Abenteuer scheinen nicht herbeigesehnt, sondern tatsächlich passiert zu sein.
    Wobei ich dann manchmal nicht weiß, ob ich manches selbst erlebt haben möchte. Also trotz sicherlich grandioser Erlebnisse hält sich mein Neid inzwischen in Grenzen. Für manches fehlte der Mut. Aber Sehnsucht ist da.
    Weiterhin viel Spaß und von eurer Seite Berichte. Ich werde am Ball bleiben.
    Klaus
    Das Wichtigste zum Schluss: HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH AN DIE LIEBE STEFFI aus dem Höchtebogen.
    Glücklicherweise ist sie nicht blond und kann wohl dementsprechend schwer eingetauscht werden.

  3. Da schmöker ich Euer so schön bebildertes Tagebuch, lache mit (manchmal auch über) Euch und bin mit ganzer Seele dabei und dann – ein häßliches Geräusch in meinem Hirn – das:
    „Zwinge mich, an die Hackfressen heimatlicher Provenienz zu denken, an Praxis und Steuerberater. “
    Ich halte mich ja nicht für überempfindlich und schnell einschnappen tue ich eigentlich auch nicht, ABER: Lieber Thomas, sag bitte mir und der Welt, dass Du nicht mich meinst 😉 !!!
    Marcus und ich wünschen Dir und Steffi weiterhin viele Abenteuer und unvergessliche Momente – auf das dem hinreißenden Federkiel in Deinem Kopf der Stoff nicht ausgehen möge!!!

    1. An ALLE : Die liebe Ira ist ausdrücklich NICHT gemeint !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

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