Wir kommen spät an auf unserem mittlerweile etablierten Platz. Und es raschelt im Gebüsch. Nein, kein Ziegenhirte, der sich da Springteufelhaft zeigt, sondern 23 Zentimeter caniseskes in pelziger Verpackung. Steffi ergibt sich mütterlicher Instinkte ansichtig dieses Niedlichkeits-Schemas. Gibt Wasser und unendliche Liebe. Er jammert quiekend nach seiner Mami und bettet sich dann asylbegehrend neben die Abwaschschüssel. Wo er des morgens noch verharrend auf das Erwachen seiner Miet-Mutter harrt. Mein Gott ist der süss und tapsig. Steffi ist für mich nicht mehr erreichbar. Pläne zur Adoption werden diskutiert, soweit möglich mit der ratiogeminderten Amme, die als solche vom Etwas voll akzeptiert ist. Ein wenig jambon wird gereicht und Wau-wauchen bettet sich auf das sich blähende Luftkissen der Holzkohlentüte für ein kleines Schläfchen. Kontrapunktierend erhält er von Frauchen den Namen „Pißflitsche“. Wir lassen ihn zurück, schweren Herzens, und hoffen auf baldige Familienzusammenführung der Sippe. Steffi spricht wenig.
Ja, das hat sich wahrhaftig gelohnt. Früh erreichen wir nach gemütlicher Pistenfahrt Had Draa. Da ist mächtig was los. Angeblich ist es der größte marokkanische Wochenmarkt. Vorstellbar. Wir starten in der Vieh-Abteilung. Eutertragende Paarhufer und deren Filiae. Was ein Tohuwabohu. Das Getier wird auf LKWs in der dritten Etage angekarrt, oder auf Ladeflächen von Pick-ups. Ja, wie sucht man sich das Rindvieh nun aus ?. Ganz einfach. Man nähert sich von hinten, hebt den Schwanz (vom lebenden Bouef), guckt professionell aufs Arschloch, während die Linke das vierzitzrige Organ befundet. Der Zahnstatus bleibt unberücksichtigt, wie es der des Kaufinteressenten auch zu sein die Regel scheint. Eine prächtige Stimmung bettet das Merkantile. Nächste Abteilung, Mähs. Der Mähmann wird am Horn gepackt, die Mähfrau am Hinterlauf. Das Arschloch scheint von geringem Interesse bei Kaufabsicht. Der Gesamteindruck des Blökers wirkt entscheidend. Hier ist jedenfalls auch mehr an kehlkopfzittriger Verlautbarung vernehmbar, die die körperliche Integrität vermutlich erahnen lässt. Übrigens passen zirka dreissig Mähs auf eine Ladefläche. Oder eine Muh, eine Mäh eine Tättärätätä. Oder vier bis sechs Esel. Die werden hier auch verhökert. Wirken jedoch sehr unbeteiligt, wie es dem landläufigen Mentus des Genannten wohl entspricht. Die Kamel-Abteilung hat bereits Feierabend, oder wir waren zu blöd sie zu finden, obwohl sie im Allgemeinen nicht zu übersehen sind, trotz Einhöckrigkeit, womit klar ist, dass es sich eigentlich immer um Dromedare handelt, wie ja ein jeder weiß.
Wir fahren mit dem gläsernen Fahrstuhl in die erste Etage, Gemüse. und Obst. Und Gemüse. Und Obst. Und Gemüse. Die müssen bei Aldi gewesen sein, Aldi-Süd-Zentrale. Meine Fresse, wer soll das Alles kaufen? Da kann so ein Thai Markt aber einpacken. Wir kaufen Koriander und Pepperoni. Weiter gehts durch die Heimwerker-Abteilung zum Schlachthof, dessen Existenz den Säugern aus Abteilung eins, eingedenk ihrer Gelassenheit, unbekannt zu sein scheint. Weiter zur Esel-Transport-Korb-Flechterei und Dromedar-Sattlerei und danach zur Plastikplanen und Leinensack Bude. Vorbei an Hinkelsteingrossen Melonen, die von unzähligen Pickups herunter verhökert werden. Da stehen die Teetrinker volles Rohr drauf. Selig schmatzende Kapuzenträger. Nach einem Pausen-Kaffe nehmen wir noch kurz die Damen-Oberbekleidung, die Schuhabteilung und Kurzwaren. Leider gibts keinen Swarowski, so dass wir enttäuscht das Spektakel für beendet erklären.
Wir müssen noch spätstücken, fahren also wieder zur Küste und finden einen genehmen Platz am Strand inmitten von Fischerhütten und blauen Booten. Als wäre nichts selbstverständlicher, werden wir wie immer nett begrüßt, und gelassen gelassen. Keine Aufenthalts- oder Platzverweise, immerhin haben wir das Gefühl, dass wir uns mit Landys Hilfe durch den Sand in deren Wohnzimmer gewürgt haben. Die sind alle sehr busy. Hereinkommende Boote werden mit Treckern auf den Strand gezogen, während sich jemand mit Pferdekarren auf den Weg dorthin macht, den Fang zu empfangen. Really authentic. Wir harren dem mit O-Saft, Baguette, Kochschinken, Käse und Eiern. KEINE Marmelitschka. Ein Typ kommt, spricht zahngemindert gutes Englisch, stellt sich als Fischerman´s painter vor und kritzelt mathematische Formeln in den Sand. Wurzel Pi und die unbeirrbare axiomeske Standfestigkeit nackten Zahlenmaterials in die Vergänglichkeit verwehenden Untergrundes gezeichnet.
Ich mus PiPi aus meiner Wurzel. Auch in den Sand aber eher naive Bauernmalerei im visuellen Ergebnis. Und Roy Liechtensteiner-Prostatiker-Pointilismus beim Abschlackern. Verdunstend bald und sich ändernd im Aggregatzustand sich loslösender Moleküle aus Wasser, Harnstoff und den Fuselölen verdauten, mittelmässigen Rosé. Nichts ist für die Ewigkeit, mein lieber Drafi Deutscher.
Wir brauchen einen Schlafplatz und mäandern so die Küstenregion rauf. Viel Zugänge zum Wasser sind brauchbar, aber Schattenlosigkeit lässt uns zaudern. Letztendlich steuern wir einen campismo an, wenigstens Windschatten und ein paar Meter zum Meer. Es gibt Gemüse-Nudelpfanne, Birne Helene und Pfirsisch Melba zum Desert, nach dem Espresso noch ein Fürst-Pückler und Grappa.
Hier muss man nicht bleiben, also einpacken und die Küstenstrasse entlang. Hier ist wohl die fruchtbarste Region des Landes, dutzende Kilometer lang finden sich hübsche Gemüsegärten, teilweise direkt hinter den Dünen. Lagunen sorgen für Austernzucht.
Wir suchen lange nach einem Platz, es muss doch einen Weg zur Lagune geben,und wir finden ihn. Der Ozean rauscht. Es ist spät und kalt und so muss sich die Tütensuppe andienen uns zu speisen.
Wir pennen früh, gehen davon aus, morgens hier inmitten der Austernfischer zu erwachen.
Aber es ist sehr ruhig des Morgens, ich geniesse den Sonnenaufgang, drei, vier Leute kommen vorbei, ein paar Taucher in Neopren, die die Gambas und Austern wecken wollen. Wir bekommen ein paar angeboten, aber sie passen nicht so recht zu Kaffee und Rauchwerk, ausserdem finde ich Austern-schlürfen eh albern. Neureichen-Kram. Andererseits sollen sie mächtig Feuer ins Gemächt bringen, sagt man. Vermutlich bei äusserer Anwendung. Und… habe ich das nötig? Ich hätte gelegentlich lieber was obstipierendes.
Jetzt aber Meters machen. Weiter die Küste hoch, genau so schön wie gestern, ein bischen Bretagne, bißchen Irland. Dann in El Jadida einen Kaffee. Hier ist der Industrie wegen enormer Wohlstand, es wirkt mit seinen unzähligen Cafes und mehrstöckigen Wohnhäusern fast europäisch, man trägt Polo-Shirt und Bundfaltenbuchse und fährt statt Esel Touareg. Dann auffe Bahn Richtung Casablanca, dann Rabat und schliesslich Meknes. Und dann kommt er, der Platz. Geraniengesäumte Stellplätze unter Olivnbäumen, kitschige Skuplturen, eine bezauberndes Kleinod mit Vogelgezwitscher fünfzehn Kilometer hinter Meknes. Ach was schön.
Grillen, Duschen, Rosé trinken. Ein WOMO mit dutchman, sonst ist niemand hier. Wir entscheiden uns, doch noch zu bleiben und am nächsten Tag Meknes zu besuchen. Dann kommt noch ein schweizer Pärchen mit HZJ78. Sehr weise Menschen, haben sie doch auch aufgehört dem schnöden Mammon hinterher zu jagen. Sie reisen.